Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der gemeinsamen Tagung des DVPW Arbeitskreises Umweltpolitik/Global Change und der Schader-Stiftung zum Thema „Die Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen: Konzept, Entstehung und Wirkung der Sustainable Development Goals“ statt. Die übergeordnete Frage der Podiumsdiskussion lautete: Geht von der im Jahr 2015 verabschiedeten Agenda 2030 und den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine transformative Kraft für die aktuelle Nachhaltigkeitspolitik aus?
Diese Frage diskutierten drei eingeladene Gäste: Frank Biermann von der Universität Utrecht, Christian Hey vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Landwirtschaft sowie Kerstin Krellenberg vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sandra Schwindenhammer von der Justus-Liebig-Universität Gießen und Sabine Weiland von der Université Catholique de Lille.
Alle Podiumsgäste waren sich einig in dem Punkt, dass es nicht eine einzige Transformation geben kann, sondern mehrere Transformationen auf allen politischen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen erforderlich sind, um die Agenda 2030 zu verwirklichen. Die verschiedenen notwendigen Transformationsprozesse im politisch-administrativen System, im Technologiebereich, in der Wirtschaft und nicht zuletzt in der Wissenschaft bedürfen einer weiteren Ausgestaltung durch eine Vielzahl von Akteuren. Globale Herausforderungen wie etwa der Klimawandel zeigen die Dringlichkeit für politisches Handeln.
Als ein zentrales Problem hoben die Podiumsgäste hervor, dass die UN und das internationale Staatensystem sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar auf der einen Seite immer wieder verändert haben. Auf der anderen Seite ist die Grundstruktur des internationalen Systems fast unverändert gegenüber der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs geblieben. Mächtige nationale Regierungen bestimmen weiterhin die Diskussion. Beschlüsse werden im Konsens mit inzwischen über 190 Staaten getroffen. Dieses System scheint nicht geeignet zu sein, die aktuellen Herausforderungen anzugehen und die unterschiedlichen planetaren Belastungsgrenzen einzuhalten.
Dennoch führten die Podiumsgäste auf Nachfrage auch einige positive Beispiele für vielversprechende Transformationsprozesse an, wie zum Beispiel die Fridays-for-Future-Bewegung, die deutsche Energiewende oder Vorreiterstädte wie Kopenhagen, die in naher Zukunft klimaneutral werden wollen und sich die SDGs als Leitbild gegeben haben. Alte Steuerungsmodelle scheinen demnach obsolet geworden zu sein. Die SDGs können somit als Governance-Innovation verstanden werden, da sie nicht durch rechtlich-verbindliche internationale Abkommen konkrete Zielvorgaben setzen, sondern durch einen relativ breiten Zielkatalog Anstöße für Transformationen geben.
Gleichzeitig betonten die Podiumsgäste auch viele vorhandene Hemmnisse für eine progressive Transformationen in Richtung Nachhaltigkeit. Hierzu gehören aus ihrer Sicht insbesondere die Polarisierung der Gesellschaft und die Schere zwischen Arm und Reich. Es fehlt der Zusammenhalt in der Gesellschaft, der aber notwendig ist, um die SDGs zu erreichen. In SDG-10 (Ungleichheiten reduzieren) wird dieses Problem explizit angesprochen. Dabei geht es darum, das Wohlstandsgefälle zwischen dem sogenannten globalen Norden und Süden zu verringern und gleichzeitig darauf hinzuwirken, innerhalb von Staaten gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. SDG-10 ist somit eine sehr große Aufgabe und gleichzeitig ein wichtiger Schlüssel zur Verwirklichung der Agenda 2030.
Klar wurde in der Diskussion: Wenn wir die Agenda 2030 und die SDGs ernst nehmen, bedeutet dies grundlegenden Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, der nur durch eine Kombination aus politischen Steuerungseffekten, Veränderungen unserer Wirtschaftsweise, technologischer Innovation, Weiterentwicklung von Wertemodellen und Bewusstsein für globalen Zusammenhalt sowie Druck durch die Zivilgesellschaft erreichbar ist.